Das Thema Rechtfertigung ist allgegenwärtig. Sei es in der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, zwischen Kollegen, im Arzt-Pflegekraft-Patientenverhältnis oder im privaten Umfeld. Wer meint, sich rechtfertigen zu müssen, tut dies meist mit der Absicht, sich gegen einen Einwand bzw. Vorwurf zu verteidigen, eine Handlung als berechtigt hinzustellen oder begründet, warum etwas so ist, wie es ist und deshalb richtig ist. Die Person, die sich rechtfertigt oder sich in eine Rechtfertigung treiben lässt, erlebt die Situation oft als unangenehm. Sie spürt, wie sie sich um Kopf und Kragen redet – ohne zu überzeugen.
Was kann man tun, um nicht in die Rechtfertigungsfalle zu tappen? Verantwortung übernehmen. Verantwortung übernehmen für das eigene Tun und Handeln. Verantwortung übernehmen für getroffene Entscheidungen, selbst wenn sie sich im weiteren Verlauf als falsch herausstellen. Verantwortung übernehmen für die Fehler, die einem unterlaufen sind.
Sich verantwortlich erklären
Menschen handeln auf der Basis einer zum Zeitpunkt X bekannten Informationslage. Es ist nahezu unmöglich, zu einem bestimmten Zeitpunkt alles zu wissen und die Konsequenzen des eigenen Handelns zu 100 Prozent zu beurteilen. Jeder entscheidet sich für das, was er in diesem Moment für richtig erachtet.
Demnach ist jeder für sein Handeln selbst verantwortlich – auch für mögliche Fehlentscheidungen. Dazu ein Beispiel: Vertraut ein Projektleiter beispielsweise auf die zugelieferten Informationen eines Kollegen und stellt diese nicht infrage, ist der Projektleiter hierfür selbst verantwortlich: „Mein Bericht ist fehlerhaft, denn ich habe die zugelieferten Informationen nicht hinterfragt. Ich werde den Bericht korrigieren.“ Ein Rechtfertiger wälzt die Schuld auf den Kollegen ab: „Der Kollege hat fehlerhafte Informationen geliefert, deshalb ist der Bericht falsch.“
Entschuldigung
Jeder Mensch macht Fehler. Indem man sich entschuldigt, gibt man das zu erkennen und bedauert die Konsequenzen. Der Satz „Es tut mir Leid“ ist ein Zeichen der Selbstverantwortung und das Eingestehen eines geschehenen Fehlers. Dies ist allemal besser als einen Fehler zu rechtfertigen, zu bestreiten, auf andere Personen oder Umstände abzuwälzen. Auch hierzu ein Beispiel: Ein Arzt hat Termine ausgemacht, die mit kleinen Zeitpuffern versehen nicht zu Überschneidungen hätten führen müssen. Der eine erklärt sich verantwortlich: „Es tut mir Leid, ich habe zu viele aufeinanderfolgende Termine vereinbart.“ Der Rechtfertiger schimpft hingegen über die Umstände in der Abteilung oder dass zu viele Kollegen krank sind. Statt zu seiner Verantwortung zu stehen, bestimmt der Rechtfertiger, wer oder was an seiner Statt die Verantwortung zu tragen hat.
Raus aus der Rechtfertigungs-Sackgasse
Rechtfertigung ist ein Zeichen von Schwäche. Der Rechtfertiger lenkt von sich ab und zeigt mit dem Finger auf andere bzw. macht Dritte für sein Handeln verantwortlich. Er versucht, etwas schön zu reden. Wer stattdessen erklärt, aus welchen Beweggründen er sich für diese und keine andere Handlung oder Meinung entschieden hat, gibt dem Gegenüber die Chance, es zu verstehen.
Nicht zwangsläufig in die Rechtfertigungsfalle zu laufen heißt, sich bewusst damit auseinanderzusetzen und den Blick dafür zu schärfen. Wann und wem gegenüber rechtfertige ich mich? In welchen Situationen kommt mir ein „Ja, aber …“ oder „Ich konnte, nicht anders, weil ein anderer“ …“ Ich musste das tun …“ besonders leicht über die Lippen. Was könnte ich stattdessen sagen? Wer oder was hindert mich daran, in die Verantwortung zu gehen?
Das klingt anstrengend und ist es auch. Andererseits, sich seltener in Rechtfertigungsschleifen zu verlieren entlastet auch.