Ein Seminarteilnehmer (ST) stellte mir letztens die Frage, wie schaffe ich es endlich mal Nein zu sagen, ohne das Binnenklima im Unternehmen zu vergiften oder als einer dazu stehen, der sich verweigert.
Nein ist ein Wort, das niemand gerne hört oder ausspricht. Es ist ein mächtiges Wort, eines, das Entschlossenheit zeigt, eines, das den anderen vor den Kopf stoßen kann. Für manche Menschen ist es gar das schwierigste Wort. Aber um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen oder Fehlentscheidungen im Unternehmen zu vermeiden, muss man Nein sagen können. Die Frage ist nur, wie sage ich das am besten.
Im Gespräch bearbeiteten wir die Anforderung mit William Urys Verhandlungskonzept, Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln.
Beziehung-versus-Macht-Dilemma
Wer nein sagt, bewegt sich laut Ury in dem Spannungsverhältnis zwischen Machtausübung und Beziehungspflege. Die Ja-Nein-Sager bedienen sich der drei Verhaltensmuster Anpassen, Angreifen, Ausweichen.
Als Angepasster sage ich zu neuen Aufgaben vorschnell „Ja“, weil ich mich einfach überrumpeln lasse, nicht abgelehnt werden möchte oder Konsequenzen fürchte.
Ich lege großen Wert auf den Erhalt der Beziehung und opfere eigene Interessen. Dieses Ja ist in Wirklichkeit ein destruktives Ja. Es dominiert die Angst vor Ablehnung. Am Ende droht Überlastung oder Überforderung.
„Ich habe für so einen Schwachsinn keine Zeit!“, töne ich als Angriffslustiger. Ich setze auf Macht, ohne einen Gedanken an die Beziehung zu verschwenden. Meine Triebfeder ist der Zorn. Ich werde wütend, weil jemand anderes überzogene Forderungen an mich stellt oder ich bin einfach nur frustriert über die Gesamtsituation. Und dann schlage ich mit einem Nein zurück.
Als Ausweicher tue erst mal gar nichts, ich warte ab. Ich sage weder Ja noch Nein, lege mich nicht fest, schweige oder ignoriere meine Umgebung. Passivität ist mein das Gebot der Stunde. Dieses Verhaltensmuster ist immer häufiger in Unternehmen anzutreffen, vor allem in jenen, die in konfliktbeladenen Veränderungsprozessen feststecken.
Die Strategien sind nicht immer klar voneinander abzugrenzen, sondern miteinander verwoben. Mein ST tendiert bei neuen Anforderungen zur Anpassung. Er sagt Ja, obwohl er lieber Nein sagen möchte. Im weiteren Verlauf fängt er an, sein Ja dem Gegenüber übel zu nehmen. Das spielt sich so lange in ihm ab, bis er zu einem Punkt kommt, wo er explodiert. Das Gegenüber ist konsterniert. Bei ihm macht sich ein Schuldgefühl breit. Er rudert zurück, passt sich erneut an oder weicht aus. Bis zum nächsten Mal. Dieser Verhaltenskreislauf stößt ihm auf. Wie kann er es besser machen. Schritt 1: er löst sich von der Annahme, sich entweder für die Beziehungspflege oder Macht entscheiden zu müssen.
Raus aus der eigenen Nein- Falle
Das positive Nein nutzt beides: die Macht und die Beziehung. Im Gegensatz zu dem normalen Nein, das mit Nein anfängt und mit Nein aufhört, beginnt und endet das positive Nein mit einem Ja. Das positive Nein meines ST lautet:
- Ja!: Ich leite dieses Projekt und werde es erfolgreich abschließen.
- Nein: ich werde keine weiteren Aufgaben übernehmen.
- Ja?: Wir können überlegen, was wir stattdessen tun.
Positives Nein = Ja! Nein. Ja?
Für Ury steckt im ersten Ja! das persönliche Interesse. Das innere Empfinden verschafft sich Gehör. Es ist die Beziehungspflege mit sich selbst. Mit dem Nein kommt die Macht ins Spiel: bis hierher und nicht weiter. Das zweite Ja? fördert die Beziehung mit dem Gegenüber. Zwischen dem ersten und dem zweiten Ja gibt es einen wesentlichen Unterschied. Das erste Ja konzentriert sich auf das Innere, das zweite auf das Äußere – es ist eine Einladung an den Gesprächspartner, gemeinsam eine Einigung zu erzielen. Der Schlüssel zu einem positiven Nein liegt im Respekt. Es unterscheidet sich von der Anpassungsstrategie durch den Respekt, den man sich selbst und den eigenen Prioritäten entgegenbringt. Von der Angriffsstrategie unterscheidet es sich dadurch, dass man auch sein Gegenüber respektiert, obwohl man zu seinen Forderungen oder seinem Verhalten Nein sagt. Ury ist sich sicher, Menschen können erst dann wirklich Ja sagen, wenn Sie wirklich Nein sagen können.
William Ury, Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln, Campus Verlag, Frankfurt 2009